Im Hotel Mama ist' s am schönsten

"Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute ist so nah?!" Das denken sich wohl viele der so genannten Nesthocker*innen. Sie wohnen auch dann noch unter einem Dach mit ihren Eltern, wenn sie schon studieren oder einer eigenen Arbeit nachgehen.

In Italien und Spanien ist es nichts Ungewöhnliches, dass junge Menschen das traute Heim lange nicht verlassen - manchmal sogar bis zur Hochzeit. In nördlicheren Gebieten hingegen gelten die Hotel Mama Bewohner*innen schon mal als verschroben, faul und unreif.
Einige der Nesthocker*innen haben das Elternhaus nie verlassen, andere hingegen sind ausgezogen, dann aber wieder eingezogen. Einer deutschen Studie zufolge sind wenig gebildete Jugendliche aus bildungsfernen und ärmeren Familien am anhänglichsten.

Warum Nesthocker*in?

Was aber sind die Gründe, dass junge Menschen den Auszug von daheim und das eigenständige Wohnen meiden? Ist es wirklich nur die Gemütlichkeit des Hotel Mama? Der gedeckte Tisch, das gemachte Bett und die frische Wäsche?
Manche Nesthocker*innen geben zu, dass die Bequemlichkeit eine gewisse Rolle spielt. Wer nicht selbst einkaufen, kochen und waschen muss, hat mehr Zeit für anderes, zum Beispiel für Hobbys, Freundschaften oder fürs Lernen. Aber es sind auch das gute Verhältnis zu den Eltern und deren liberale Haltung, die manchen jungen Erwachsenen das Ausziehen schwer machen. Wenn die Eltern nicht rumnörgeln, dann gibt es für viele keinen Anlass, das Weite zu suchen.

Für manche sind die bestehenden Freundschaften der ausschlaggebende Grund, dass sie nicht von zu Hause wegziehen. Sie wollen ihre Schulfreunde und -freundinnen regelmäßig treffen und diese Beziehungen nicht aufgeben - was der Fall wäre, wenn sie in einen anderen Ort ziehen würden.

Daheim ist‘ s billiger

Ein Argument, das für den Verbleib bei Mama und Papa oft angeführt wird, ist das Geld. Manche finden zwar, dass man durch das Wohnen im Elternhaus tatsächlich unselbständig bleibt, das Leben sich wie zu Schulzeiten anfühlt und man sich dadurch nicht weiterentwickelt, aber sie können es sich ganz einfach nicht leisten, auszuziehen.

Viele Leute sehen Nesthocker*innen sehr kritisch. Sie finden, dass man sich irgendwann vom Elternhaus abnabeln sollte. Auch dann, wenn der finanzielle Aufwand größer ist. Die Entwicklungspsychologie sagt, dass junge Erwachsene, die sich nicht auf eigene Beine stellen, Zeit ihres Lebens hinterherhinken. Die Entwicklung eines autonomen Selbstwertgefühls setze später ein, ebenso die Wahl eines festen Partners oder einer festen Partnerin und auch die Gründung einer eigenen Familie - so sie überhaupt noch stattfindet.

Verwöhnte tun sich schwerer im Leben

Die familiäre Harmonie, von der  manche Nesthocker*innen schwärmen, beurteilen Psychologen und Psychologinnen ebenfalls sehr kritisch. Bei den lieben und liberalen Eltern, die stets mit allem einverstanden sind, kann sich weder ein gesundes Durchsetzungsvermögen noch Konfliktfähigkeit entwickeln. Beides ist aber wichtig im Leben. Manche gehen sogar so weit, zu sagen, dass die Verwöhnungshaltung es den Nesthocker*innen schwer macht, im Leben Aufgaben zu übernehmen. Sie könnten zu den Verlierer*innen unserer modernen Leistungsgesellschaft werden, weil ihnen die Grundbedingungen Selbstständigkeit und Flexibilität fehlen.

Aber was soll‘s - das Hotel Mama bleibt sicher noch lange geöffnet ;-)