Beim Lügen ertappt

Schon seit längerem wünscht sich Paul, mal bei seiner Freundin zu übernachten. Mit seinen Eltern will er darüber nicht reden, denn er denkt, sie würden es sowieso nie erlauben.

An einem Samstag geht er also ein Wagnis ein: er bleibt bei seiner Freundin, den Eltern aber sagt er, dass er bei seinem Freund Tom schläft. Lange hatte seine Lüge aber nicht Bestand. Die Eltern schöpften Verdacht, und als sie Paul am nächsten Tag fragten, wie es denn bei Tom war und was sie denn so gemacht hätten, da kam die Wahrheit ans Licht. Die Eltern merkten, dass Paul zwar das eine erzählte, sein Gesichtsausdruck, seine Augen und seine Körperhaltung aber etwas ganz anderes verrieten. Wie kann das sein?

Verbale und nonverbale Sprache

Es ist so, dass die verbale Sprache vor allem dazu dient, Informationen weiterzugeben, die nonverbale Sprache hingegen drückt Emotionen und innere Zustände aus. In den allermeisten
Fällen stimmen der verbale und nonverbale Ausdruck überein: zum Beispiel wird eine gute bzw. schlechte Nachricht von einem entsprechenden Blick, Gesichtsausdruck und einer passenden Körperbewegung begleitet. Ist dem nicht so, dann kann das für das Gegenüber ganz schön irritierend sein. Stellen wir uns zum Beispiel vor, jemand berichtet uns mit einem strahlenden Lachen, dass unser heiß geliebter Kater von einem Auto überfahren wurde. Das würde uns schon sehr verwirren.

Beim Lügen passiert Ähnliches. Wenn wir lügen, entspricht das, was wir sagen, nicht dem, was wir wirklich denken – und das merkt unser Gegenüber. Der Grund liegt darin, dass es relativ einfach ist, unsere verbalen Aussagen zu kontrollieren, um vieles schwieriger ist es allerdings, unsere Mimik, Gestik und Körperhaltung im Griff zu haben.

Unsere Gestik verrät uns

Selbst wenn wir uns noch so bemühen beim Lügen, es gibt immer etwas, das uns verraten kann. Wir tendieren beim Lügen beispielsweise dazu, weniger zu gestikulieren, weil wir Angst haben, die Hände könnten uns verraten. Oder weil wir uns beim Lügen unwohl fühlen, verändern wir ständig unsere Position, greifen uns häufig ins Gesicht, reiben uns das Kinn oder die Nase, streifen durchs Haar oder halten eine Hand vor den Mund. Selbst unser Körper reagiert, wenn wir falsche Aussagen machen: die Schweißproduktion wird angeregt, der Blutdruck steigt, das Herz schlägt schneller und unsere Pupillen verengen sich.

Wenn man zudem bedenkt, dass 65 Prozent von dem, was wir unserem Gegenüber vermitteln, über die nonverbale Ebene läuft, dann ist nochmals verständlicher, dass Eltern (die das Verhalten ihrer Kinder ja bestens kennen) ziemlich schnell merken, wenn ihnen etwas vorgegaukelt wird.

Paul hat durch seine Erfahrung gemerkt, dass es der bessere Weg ist, mit den Eltern offen und ehrlich über seine Anliegen zu reden. Das nächste Mal darf er nun ganz offiziell bei seiner Freundin übernachten ...