Kinder dürfen sich wehren - auch gegen Eltern

Jugendliche schimpfen über ihre eigenen Eltern, sie finden sie nervig und spießig, und an ihrer Meinung lassen sie selten ein gutes Haar. Das ist normal und Teil des Ablösungsprozesses auf dem Weg zum Erwachsenwerden.

Dass Eltern manchmal aber tatsächlich nerven können und ihre Kinder alles andere als gut behandeln, sie weder optimal fördern noch gut begleiten auf dem Weg zum Erwachsenwerden, das ist ein heikles Thema und wird öffentlich eigentlich nie ausgesprochen. Schließlich tun Eltern ja ihr Bestes - sagt und denkt man.

Dass dem aber nicht immer so ist und die Realität dem idyllischen Familienbild nicht immer entspricht, dass erfahren wir in zahlreichen Gesprächen mit Jugendlichen.
Wenn Jugendliche deprimiert und verängstigt sind, in der Schule nicht mehr leistungsfähig sind oder keine Freunde und Freundinnen haben, dann steckt oft ein schwerwiegender Konflikt zu Hause dahinter. Jugendliche erzählen von Eltern, die desinteressiert und kaum anwesend sind, die sie erniedrigen und abwerten, die sie unter starken Leistungsdruck setzen, die ihnen alles verbieten, auch ganz banale Dinge.

Sie erzählen davon, dass sie in Trennungssituationen von einem Elternteil zum Komplizen oder zur Komplizin gegen das andere Elternteil gemacht werden. Über diese psychische Gewalt hinaus erfahren Jugendliche daheim manchmal auch körperliche oder sexuelle Gewalt.

Eltern dürfen nicht alles

Eltern haben es nicht immer leicht. Genauso wie es Kinder und Jugendliche nicht immer leicht haben. Der Unterschied ist, dass die Eltern die Verantwortung für die Beziehung zu den Kindern haben und für die Entwicklung der eigenen Kinder Sorgen tragen müssen.

Laut Gesetz müssten Eltern alles tun, um eine optimale Entwicklung zu gewährleisten, wie z.B. Jugendlichen Freiräume geben, ihre Privatsphäre respektieren, ihnen Freundschaften ermöglichen, ihnen Ruhephasen gönnen, ihnen Mitsprache und Entscheidungsbeteiligung geben, ihre Bedürfnisse ernst nehmen und - nicht zuletzt - sie respektieren und achten, ihnen also ganz normale Menschenrechte zugestehen.
Viele Jugendliche sind ganz erstaunt, wenn sie hören, dass Eltern bestimmte Dinge nicht tun dürfen. Sie denken, Eltern sind unfehlbar, und sind überrascht, dass Kinder und Jugendliche das Recht haben, sich zu wehren, wenn sie schlecht behandelt werden.

Aber wie wehren? Mit Reden und mit Unterstützung von außen, entweder durch andere Erwachsene wie Verwandte, Bekannte, Lehrpersonen oder öffentliche Einrichtungen wie Sozialdienste oder Beratungsstellen.