Jugendliche und Gewalt

Gewalt ist ein sehr weiter Begriff. Bei Jugendlichen tritt Gewalt in sehr vielen verschiedenen Facetten auf. Sie beginnt bei Ausgrenzung, Beschimpfungen, Drohungen, Gruppendruck, Erpressung und reicht bis zu körperlicher und sexueller Gewalt.

Jugendliche üben zwar Gewalt aus, in viel stärkerem Maße erfahren sie aber selbst Gewalt. Als Jugendberatungsstelle sind wir häufig mit Jugendlichen konfrontiert, die unter gewalttätigen Übergriffen von Seiten Erwachsener leiden.

Wenn über das Thema Jugendliche und Gewalt gesprochen wird, dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass Kinder und Jugendliche von Erwachsenen lernen und diese ihnen Vorbilder sind, sowohl im positiven als auch im negativen Sinn. Wie können Erwachsene also von Jugendlichen Gewaltfreiheit fordern, wenn sie es sind, die ihnen täglich Gewalt vorleben und spürbar machen?!

Verschiedene Ursachen von Gewalt

Gewalt hat verschiedene Ursachen, die vor allem im gesellschaftspolitischen, aber auch im pädagogischen Umfeld zu suchen sind. Man denke an das Herauslösen des Einzelnen aus sozialen Bindungen wie Familie, Nachbarschaft, bestimmte Subkulturen, Religion, Vereine oder an das Fehlen von gemeinsamen Wert- und Normvorstellungen. Jugendliche haben das Bedürfnis nach Werten und Normen, die für sie Sinn machen und an denen sie sich orientieren können. Solche zu finden, ist heute aber um einiges schwerer als früher.
Gewalt und Aggressionen bei Jugendlichen sind in erster Linie als Protest und Hilfeschrei zu verstehen. Es ist eine Form, auf ihre alltäglichen Erfahrungen zu reagieren. Wenn man sich die tägliche Präsenz von Gewalt in den Medien, die unsicheren Zukunftsperspektiven, die globalen Umweltprobleme, die übertriebene Leistungsorientierung, die fehlende Menschlichkeit usw. vor Augen führt, dürfte man sich eigentlich nicht die Frage stellen, warum so viele Jugendliche zu Gewalt greifen, sondern vielmehr die Frage, wie schaffen es so viele Jugendliche, auf Gewalt zu verzichten?!

Wie kann man Gewalt entgegenwirken?

Wer sich Gedanken darüber macht, wie man dem Phänomen Gewalt entgegenwirken könnte, der sollte zuallererst über sich selbst und die Gesellschaft nachdenken. Der amerikanische Psychologe Paul Gutman sagt: “Die Jugend ist immer der Spiegel unserer Gesellschaft“. Die beste Erziehung und Prävention gegen Aggression und Gewalt wäre das Aufwachsen und Leben in einer Gesellschaft, in der es sich lohnt zu leben. Eine lebenswerte Gesellschaft, das sollte das Ziel sein, und dazu sollte man überlegen:

• Wie kommen wir weg von übertriebener Leistungsorientierung und hin zu mehr Menschlichkeit?
• Wie können Jugendliche wieder mehr in soziale Gefüge (Familie, Vereine, Jugendgruppen, politische Strukturen usw.) eingebunden werden und damit mehr Mitsprache erhalten?
• Wie können Jugendliche mehr Selbstbewusstsein und einen gutes Selbstwertgefühl erlangen? Denn je selbstsicherer ein Mensch ist, desto weniger tendiert er zu Gewalt.
• Wie kann die Gesellschaft den Jugendlichen wieder Werte, Regeln und Ziele bieten, die für sie Sinn machen und an denen sie sich orientieren können?
• Und schließlich: Welche Vorbilder wollen Erwachsene den Jugendlichen sein?